Zillo:

Seit eurem letzten Album ,,The Hearing And The Sense Of Balance" hat sich einiges getan. Neues Management, neuer Bassist. Was waren die Gründe für diese Veränderungen?

Kai Wingenfelder:

Wir hatten festgestellt, daß einige Spalten innerhalb unseres Band falsch besetzt waren und ausgetauscht werden mußten. Das fing beim Management an. Micha und ich sind zwar zusammen großgeworden und es gibt kaum einen Menschen, den ich so sehr schätze wie ihn, aber geschäftlich haben wir uns mit den Jahren immer mehr auseinanderdividiert. Es wurde für die Band immer schwieriger, Musik zu machen, weil sie sich immer mehr um das Management kümmern mußte, wozu sie gar keine Lust hatte.

ZiIlo:

Und wie war das mit Hans Schäfer eurem Bassisten?

Kai:

Mit diesem Herrn hatten wir ein menschliches und musikalisches Problem, das sich nicht mehr aus der Welt bringen ließ. Deshalb haben wir beschlossen, ihn rauszu-schmeißen, und haben’s auch durchgezogen. Das war für die Band auch gut so. Die, die wir jetzt gemacht haben, ist die erste Platte, wo alle die ganze Zeit dabei waren, wo alle die ganze Zeit Spaß hatten und wo hinterher auch alle die Platte gutfinden, obwohl sie sich die ganze Zeit nicht ein einziges Mal in den Haaren hatten.

Zilto:

Der bittere Zynismus in deiner Stimme ist nicht zu überhören, also will ich auch gar nicht weiter in diesem Thema herumrühren. Wer ist der ,,Neue", und wie kamt ihr zu ihm?

Kai:

Der neue Bassist heißt Christian Decker ist relativ, jung und kommt aus Hannover...

Zillo:

Ja, klar...

Kai:

... und zu ihm kamen wir über Kürsche, der mit uns schon getourt hat. Christof und Rainer haben mit ihm ein Sideprojekt gemacht, indem sie zusammen ein paar Songs eingespielt haben, und eigentlich sollte ja unser alter Bassist, sprich Schäfer, da mitspielen, aber Schäfer hatte mal wiederkeine Lust, mitzumachen. Und so hat Kürsche Christian Decker gefragt, der dann auch auflief und munter draufioss pleite. Es hat allen Beteiligten sehr viel Spaß gemacht, und das Musizieren mit diesem anderen Vertreter der Baß-Fraktion hat in diesen Herren den Wunsch erweckt, das öfter zu machen. So kamen wir zusammen. Christian kann singen, er spielt Klavier und er hat Musik studiert. Er ist einfach ein hervorragender Musiker und es ist das erste Mal, daß ein Bassist ein Lied bei uns geschrieben hat.

Zillo:

Welches?

Kai:

"In Love With A Clown" haben wir zusammen geschrieben.

Zillo:

Kommen wir zu eurem neuen Album. Warum habt ihr drei verschiedene Studios gewählt, um das Album einzuspielen? Wolltet ihr unterschiedliche Stimmungen flir bestimmte Songs?

Kai:

Nachdem der ganze Ärger hinter uns lag und wir sechs Monate Urlaub gemacht hatten, die wir einfach brauchten, haben wir beschlossen, komplett anders zu arbeiten als bisher. Früher haben wir Lieder geschrieben und sie zusammen geprobt, bevor wir ins Studio gegangen sind. Diesmal haben wir gesagt, wir fahren volles Risiko; wir sind ins Studio gegangen ohne einen einzigen Song. Außerdem wollten wir Stimmungswechsel. Wir wollten erstens mal eine Platte im Sommer aufnehmen, weil wir bisher alle Platten im Winter in Hannover aufgenommen haben. Wir wollten den depressiven Stimmungen ein bißchen den Hahn abdrehen. Außerdem wollten wir sehen, ob das wirklich so ist, daß verschiedene Studios und Orte musikalish auch etwas bewirken. Wir waren dreieinhalb Wochen im Can-Studio und haben dort ungejähr zehn Nummern geschrieben. Wir sind dann nach Köln ins Studio unseres Produzenten Paul Grau übergewandert und haben dort nochmal drei Wochen kamponiert. Und dann sind wir nach Spanien jür drei Wochen. Insgesamt haben wir ungefähr dreißig Songs geschrieben, von denen dreizeha auf das neue Album kamen..

Zillo:

Wie kamt ihr ausgerechnet auf das Studio in Spanien, wo wohl auch Björk-Drnmmer Trevor Morais tätig ist?

Kai:

Paul, unser Produzent, ist ein entfernter Bekannter von Ernie, der den Luden dort in Spanien schmeißt; und er hatte ein Prospekt von ihm in die Hand bekammen. Die Bilder in dem Prospekt sahen galaktisch aus, und äm Studio war bedeutend preisgünstiger als alles, was man in Deutschland an-mieten kann. Wir haben eine ,,Abordnung" runtergeschickt, um die technischen Möglichkeiten abzuchecken und es war alles vorhanden, was wir brauchten. Hinzu kam eine Villa mit Swimming Pool, und das ganze pro Tag 600 Mark billiger als das Peppermint-Studio, wo wir sonst immer waren. Dazu noch satter Sonnenschein. Da gab's überhaupt keine Frage - ab ,nach Spanien.

Zillo:

Wer sind eigentlich die "Brillanten Diebe", von denen ihr im Albumtitel und in gleichnamigem Song sprecht?

Kai:

Wir selber natürlich. Wie alle anderen Musiker auch klauen wir aus dem reichen Erfahrungs-schatz, den wir Musiker uns gegenseitig zuschustern. In einer Zeit, wo über alle Medien ständig Musik an unsere Ohren dringt, ist es sehr schwer Musik zu machen, die wirklich neu ist. Alles wiederhalt sich ja andauernd. Man kann superoffrnsichtlich klauen, wie das die amerikanische Hiphop-Fraktion ja unheimlich gerne macht oder die Jungs aus dem Techno-bereich die ganze Phrasen, und Textpassagen klauen. Man kann aber auch einfach nur Gefühle und Stimmungen klauen oder einen bestimmten Sound. Eigentlich klaut man überall, und ich wollte das einfach mal sagen, daß es eben so ist. Ich hab mich dann hingesetzt und einen Test geschrieben, wo ich mich ein bißchen darüber lustig mache: Man nehme ein bißchen Metallica, dann nach ein wenig REM. und eine kleine Prise Cure vielleicht - fertig ist das Fury-Lied, und jetzt könnt ihr die Kohle überweisen.

Zillo:

Wenn mich nicht alles täuscht, versucht ihr mit ,,Brilliant Thieves" eher an ,,Mono" anzuknüpfen denn den Vorgänger ,,The HearingAnd Th Sense Of Balance". Die Songs wirken insgesamt wieder Fury-typischer mit etwas mehr Ecken und Kanten, aber auch mit wieder wesentlich auffälligeren Melodien. War das letzte Album ein Experiment, das ihr nicht mehr weiterverfolgt?

Kai:

Das letzte Album war eine sehr schwere Geburt. Die Band war zu diesem Zeitpunkt etwas zerstritten. Das Album wurde nicht von einer Band, nach Hause geritten, sondern von nur zwei Leuten, die zum Schluß etwas verlassen im Studio saßen: mein Bruder und ich. Das ist jetzt Gott sei Dank vorbei, wir können jetzt wieder Musik machen, wie man sie eigentlich nur machen sollte: mit viel Spaß.

Zillo:

Das hart man der neuen Platte auch an. Songs wie ,,Turn Around" oder ,,Enough Is Not Enough" haben sogar einen Rock‘n Roll-Biß und eine Spritzigkeit, die man schan lange nicht mehr in dieser Ausprägung von euch gehört hat, und Eskapaden wie ,,Gero hat Geburtstag" lassen an noch frühere Alben denken.

Kai:

Stimmt. Wir orientieren uns wieder mehr in Richtung ,,Mono" und erste Alben. Viele Leute haben gedacht, wir gehen jetzt voll auf die Computerschiene, aber das haben wir überhaupt nicht vor. Wir benutzen zwar weiterhin Samples, aber das eigentliche Liederschreibe macht wieder viel mehr Spaß. Insofern ist das ein Rückschritt. Aber ich finde, es ist die einzige Richtung, in die Fury gehen sollte, denn ich möchte nicht dahin gehen, wo alle anderen hingehen. In unserer heutigen Zeit sollte man sich die Fähigkeit, Lieder zu schreiben, erhalten, weil es das einzige ist, was auf Dauer gefragt sein wird. Alles andere sind doch nur über Computer aneinandergereihte Strukturen.

Ob dieser Weg zurück die erfolgreiche Variante ist, wage ich zu bezweifeln. Ich schätze, daß "Brilliant Thieves" kömmerziell nicht so erfolgreich wird...

Zillo:

Ich schon. Ich könnte mir sogar vorstellen, daß sie soviel verkauft wie "Mono".

Kai:

Wenn sie soviel verkauft wie "Mono", dann wird sie kommerziell erfolgreich.

Zillo:

Ich weiß. Kommen wir zu einen anderen Thema. Kannst du uns etwas mehr über das Video und das Buch erzählen, das ihr zeitgleich zur Platte rausbringen wollt?

Kai:

Das Buch behandelt das Thema ,,10 Jahre Fury", wobei das Hauptgewicht auf den letzten drei Jahren liegt. Es enthält viele Jim-Rakete-Fotos und viele Heine-Bilder. Es ist geschrieben worden von einem Journalisten, den wir ausgesucht haben, und enthält außerdem viele kleine Beiträge von Leuten, die uns begeistert haben: Rakete, Produzenten und Musiker geben ihre Stellung ab.

Es enthält auch eine CD mit Sachen, die keiner kennt: Vierspur-Demoaufnahmen aus dem Übungsraum oder Songs, die wir vorher nie veröffentlicht haben, und Highlights der finsteren Kategorie, wie etwa mein Bruder und ich in der Wüste total Betrunken mit einem Kassettenrecorder "Touristenpack im amerikanischen Tal des Todes" singen.

Für das Videos haben wir zwei komplette Touren gefilmt, aber mehr das Drumherum, was hinter der Bühne passiert, die Hotels, der ganze Streß, und dann haben wir ein Konzert in der Grugahalle in Essen mit zehn Kameras gefilmt. Daraus ist das Video zusammengesetzt, aber die reinen Konzermitschnitte betragen nur 30% des gesamten Materials; diese normalen Konzertvideos finden wir auf Dauer langweilig.

Zillo:

Du ast es schon mal angesprochen; zehn Jahre Fury. Wenn du diese zehn Jahre in ein paar Sätzen zusammenfassen könntest, was würdest du sagen?

Kai:

Das war die schnellste Zeit meines Lebens, aber auch die langsamste. Es war die schönste Zeit meines Lebens, aber auch die beschissenste. Es ist aber auch eine Zeit, die ich nie vermissen möchte. Und zehn Jahre als Band zusammenzuhalten, was manchmal heftiger ist als eine Ehe, darauf können wir, glaube ich, stolz sein.